21.03.2023

VG Hannover zu Wettvermittlungsstellen: Abstandsgebot verfassungskonform – Klage abgewiesen

Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover hat die Klage von zwei Sportwettenanbieterinnen auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle in Hannover abgewiesen (Urteil vom 14. März 2023, Az. 10 A 4968/21). Das geht aus einer Pressemitteilung des Gerichts hervor.

Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt

Die Klägerinnen hätten die begehrte Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle in der Kestnerstraße in Hannover zurecht nicht erhalten. Der Erlaubniserteilung stehe Paragraf 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes entgegen. Nach dieser Vorschrift muss der Mindestabstand von Wettvermittlungsstellen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen 200 Meter betragen. Diesen Abstand halte die Sportwettvermittlungstelle zur Grundschule Kestnerstraße nicht ein. Entgegen der Klagebegründung hält das Gericht den Paragraf 8 Abs. 1 Satz Nr. 3 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes auch für mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, vereinbar. Zwar greife die Vorschrift insbesondere in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs.1 Grundgesetz) ein. Dieser Eingriff sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Mit der Regelung verfolge der Gesetzgeber den legitimen Zweck der Suchtprävention, wobei es sich um einen gewichtigen Allgemeinwohlbelang handele. Die Regelung sei geeignet, diesen Zweck zu fördern. Der Gesetzgeber geht für das Gericht nachvollziehbar davon aus, dass „aufgrund der verpflichtenden Mindestabstände von Wettvermittlungsstellen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen vor einer Gewöhnung von Kindern- und Jugendlichen an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Wettvermittlungsstellen in ihrem täglichen Lebensumfeld geschützt werden“.

Vorschrift europarechtskonform

Das VG Hannover hält Paragraf 8 Abs. 3 Satz des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes auch für europarechtskonform. Zwar greife die Vorschrift in die Grundfreiheiten, namentlich die Dienst- und Niederlassungsfreiheit (Art. 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ein. Dieser Eingriff sei aber europarechtlich gerechtfertigt. An die Rechtfertigung entsprechender Eingriffe stelle der Europäische Gerichtshof besondere Anforderungen. Insbesondere dürfe eine restriktive mitgliedsstaatliche Regelung im Bereich der Glücksspielregulierung nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz verstoßen. Dieser Grundsatz besagt, dass der Staat einen bestimmten Glücksspielsektor nicht unter dem Deckmantel der Suchtprävention zu Lasten Privater restriktiv reglementieren darf, um dann unter diesem Deckmantel eine expansive Glücksspielpolitik in diesem Bereich zu betreiben. Außerdem darf die liberale Regulierung eines Sektors nicht dazu führen, dass restriktive Regulierungen anderen Glücksspielsektoren ihre Wirksamkeit verlieren.

Grundsatz der Kohärenz eingehalten

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass Paragraf 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz verstößt. Es würden staatlicherseits in diesem Bereich keine fiskalische Interessen verfolgt. Zwar böten auch staatliche Stellen in Niedersachsen Sportwetten an. Das Angebot sei allerdings mit dem Angebot von privaten Wettanbietern sowohl hinsichtlich der Attraktivität als auch hinsichtlich der von diesem Spiel ausgehenden Suchtgefahren nicht vergleichbar, was sich im aktuellen Umsatz privater Sportwettanbieter entsprechend niederschlage. Zum anderen füge sich die Sportwettenregulierung in die Regulierung der übrigen Glücksspielsektoren in Niedersachsen noch konsistent ein. Zwar gebe es in der Regulierung des Spielhallensektors keine mit Paragraf 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Niedersächsicshen Glücksspielgesetzes vergleichbare Regelung. Dies führe aber aus der Sicht des erkennenden Gerichts nicht dazu, dass das Regulierungsregime der Sportwettvermittlungsstellen unwirksam werde. Denn es stehe nicht zu erwarten, dass es aufgrund dieser Regelung zu beachtlichen Spielerwanderungen vom Sportwettenspiel zum Automatenspiel komme.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg zugelassen.