Sportwettenangebot: ungenehmigt, aber zulässig
Das Oberlandesgerichtes (OLG) Naumburg hält den alten Glücksspielstaatsvertrag für unwirksam.
Eine englische Unternehmensgruppe darf trotz fehlender behördlicher Genehmigung weiterhin Sportwetten im Internet anbieten. Der staatliche Monopolanbieter, Lotto Toto Sachsen-Anhalt, wollte dies unterbinden, doch wies der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg die Klage von Lotto Toto Sachsen-Anhalt auf Schadensersatz in der Berufungsinstanz zurück.
Wer Glücksspiel veranstalten oder vermitteln will, braucht hierfür eine Erlaubnis. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag, der vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2012 galt, konnte eine solche Genehmigung im Bereich von Lotterien und Sportwetten aber nur Mitgliedern des staatlichen Deutschen Lotto und Toto-Bundes (DLTB) erteilt werden. Infolge des Monopols durften private Anbieter ihre Leistungen in diesem Segment des Glücksspielmarktes nicht vertreiben.
Das damit verbundene Tätigkeitsverbot ist nach der Entscheidung des 9. Zivilsenats des OLG Naumburg vom 27. September 2012 „jedenfalls in Fällen mit einem Bezug zum EU-Ausland mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und daher unverbindlich“.
Hohes Gut Dienstleistungsfreiheit
Die Dienstleistungsfreiheit des englischen Sportwettenanbieters darf nicht beschränkt werden.
Der freie Dienstleistungsverkehr darf zwar laut OLG Naumburg aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls eingeschränkt werden – dazu gehört auch der Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Glücksspiels. Solche Restriktionen müssen aber „kohärent“, also in sich stimmig und konsequent sein. Damit wird verhindert, dass die Mitgliedstaaten sich zu ihrer Verpflichtung auf einen Binnenmarkt durch nationale Regelungen oder durch deren unzureichenden Vollzug in Widerspruch setzen.
Am 1. Juli 2012 ist der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag in Kraft getreten, der die Monopolregelung ersetzt und an ihrer Stelle ein Konzessionsmodell vorsieht. Danach sollen zwanzig privaten Anbietern für sieben Jahre Erlaubnisse erteilt werden. Die europaweite Ausschreibung dieser Konzessionen lief am 12. September 2012 ab. Bis das neue Regelungsmodell durch Vergabe der Konzessionen umgesetzt ist, darf die englische Unternehmensgruppe nun weiterhin Sportwetten anbieten.
OLG lässt Revision zu
Mit der Entscheidung des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg wurde das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 11. März 2011 abgeändert, mit dem die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und zum Schadensersatz verurteilt worden war. Lotto Sachsen-Anhalt hat nun die Möglichkeit, den Bundesgerichtshof anzurufen. Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.