14.03.2024

Symposium Glücksspiel 2024: Ein Parforceritt durch die ganze Welt des Glücksspiels

Folgende Experten diskutieren den "Glücksspielstaatsvertrag anno 2024 im Spannungsfeld zwischen Spielerschutz und Regulierung" (v.l.): Moderator Dr. Matthias Spitz (Melchers Rechtsanwälte), Prof. Dr. Simon Planzer (Director, Competence Center on Gaming & Entertainment, Universität St. Gallen), Ronald Benter (Vorstand der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder), Georg Wacker (Geschäftsführer der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg), Jochen Weiner (Chief Regulatory Officer, Tipico). Im Bild fehlt Dr. Frank Lüthe (Abteilungsleiter beim Senator für Inneres und Sport, Bremen), da online zugeschaltet.

Der Audimax der Universität Hohenheim war Austragungsort des 21. Symposiums Glücksspiel.

Etwa 200 Teilnehmer, davon etwa die Hälfte online, verfolgten die zahlreichen Vorträge und Diskussionen des Symposiums Glücksspiels.

Bei der zweiten Podiumsdiskussion drehte sich alles um das Thema "Glücksspielforschung: Rahmenbedingungen guter Forschungsförderung". Folgende Fachleute tauschten sich aus (v.l.): Moderator Dr. Steffen Otterbach (Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel), Dr. Raffaello Rossi (University of Bristol, Bristol Hub for Gambling Harms Research), Dr. Dietmar Barth (Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder), Dr. Anke Quack (Kompetenzzentrum Spielerschutz & Prävention, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz) und Dr. Alfred Uhl (Sigmund-Freud-Privat-Universität Wien).

Die Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim feiert ihr 20-jähriges Bestehen. Das aktuelle Team der Forschungsstelle (v.l.): Lorenz Weißenberg, Johannes Singer, Dr. Thomas Krause, Anne Böhm, Andrea Wöhr und Leiter Dr. Steffen Otterbach.

Zum 20-jährigen Bestehen der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim haben der Geschäftsführende Leiter Dr. Steffen Otterbach und sein Team am 12. und 13 März ein thematisch vielfältiges Symposium Glücksspiel zusammengestellt.

Etwa 200 Teilnehmer verfolgten bisweilen kontrovers geführte Diskussionen, ungefähr die Hälfte davon online vor den heimischen Monitoren.

Während der zweite Tag schwerpunkthaft Forschungsthemen, Trends und Blicke über den Tellerrand beinhaltete, drehten sich die Vorträge und Diskussionen am ersten Tag vor allem um den Glücksspielstaatsvertrag, aktuelle Entwicklungen in der Regulierung und den Glücksspiel-Survey 2023.

„Die Glücksspielbranche ist von einer hohen Dynamik geprägt“, sagte Dr. Steffen Otterbach, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel, in seiner Eröffnungsrede. Diese Dynamik nehme stellenweise so viel Fahrt auf, dass nicht mehr klar sei, ob die Regulierung die Branche in Schach halte, oder umgekehrt, so Otterbach weiter.

Glücksspielstaatsvertrag – Rückblick und Bewertung

Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion hingegen stand der „Glücksspielstaatsvertrag anno 2024 im Spannungsfeld zwischen Spielerschutz und Regulierung“.

Ronald Benter, Vorstand der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL), der nach eigener Aussage „Taktgeber und maßgeblicher Mitentwickler des Glücksspielstaatsvertrag 2021“ gewesen sei, blickt zurück, um auch den heutigen Status besser einordnen zu können. Bis Stand heute habe die GGL zahlreiche Genehmigungen erteilt: 39 für Veranstalter von virtuellen Automatenspielen, 30 für Veranstalter von Sportwetten, 5 für Veranstalter von Online-Poker, 6 für Veranstalter von Pferdewetten und kürzlich auch die erste Genehmigung für Online-Casinospiele.

Glücksspielstaatsvertrag 2021 habe sich bewährt

„Zulassungen von Glücksspielen sind kein Selbstzweck“, sagt Benter. Auch die zweite Seite der Medaille, der Spielerschutz, müsse immer gewahrt bleiben. „Aus meiner Sicht hat sich der Glücksspielstaatsvertrag 2021 bewährt. Die GGL ist ein großer Teil davon“, sagt Benter.

Moderator Dr. Matthias Spitz von Melchers Rechtsanwälte stellt die Frage nach der Messbarkeit und bringt die Kanalisierungsquote in die Diskussion ein. Prof. Dr. Simon Planzer, Director Competence Center on Gaming & Entertainment, Universität St. Gallen, weist darauf hin, dass die Angaben zur Kanalisierungsquote, je nach Verfasser, enorm schwanken. Die Anbieter würden jedoch von einem „signifikanten Schwarzmarkt“ sprechen.

Eine ganzheitliche Betrachtungsweise fehle

Für Deutschland beobachte Planzer eine „ausgeprägte Obsession mit dem Objekt“, also einer bestimmten Wettform oder der Werbung. Mit Blick auf die internationale Forschungs-best practice entspreche dies laut Planzer sicher nicht einer holistischen Betrachtungsweise. Er weist zudem darauf hin, dass hierzulande bisweilen Korrelation und Kausalität verwechselt werde. Hinzu komme die Kategorie Spekulation.

Dr. Frank Lüthe, Abteilungsleiter beim wegen seiner rigiden Vorgehensweise bekannt gewordenen Senator Für Inneres und Sport, Bremen, Ulrich Mäurer (SPD), konnte wegen eines Bahnstreiks nicht vor Ort in Hohenheim sein. Er äußerte sich deutlich. „Die Ausgangsthese des Glücksspielstaatsvertrages war doch, dass man für die ohnehin zum Spiel Entschlossenen ein begrenztes Angebot im lizenzierten Bereich schafft, weil damit auch Erwartungen, wie der Spielerschutz, verbunden waren.“

Spielerschutz – Kanalisierung auch zur Spielzurückhaltung

Würden die legalen Angebote all das einbeziehen, was die Schwarzmarktprodukte ausmache, diene die Kanalisierung laut Lüthe lediglich dazu, sich Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Für ihn sei es zentral einen Mehrwert zu für die zu schaffen, um die es eigentlich gehe. Dabei habe der Spielerschutz eine zentrale Rolle inne.

Für Lüthe ist es der richtige Weg den Schwarzmarkt zu bekämpfen, indem man versucht illegales Glücksspiel zu unterbinden und nicht versucht durch Attraktivitätssteigerungen der legalen Angebote dem Schwarzmarkt Herr zu werden. Kanalisierung könne man zum einen so begreifen, dass man wegkomme von gefährlichen Anbietern, aber zum anderen könne man sie auch so verstehen, dass man von gefährlichen Spielarten hin zu weniger gefährlichen Produkten oder sogar hin zur Spielzurückhaltung kanalisiere, so Lüthe.

„Nur im regulierten Markt gibt es Spielerschutz“

Für Jochen Weiner, Chief Regulatory Officer bei Tipico, sei es wichtig mit dem Staatsvertrag Rechtssicherheit zu haben. Sicherlich gebe es noch Auslegungsfragen an der einen oder anderen Stelle, aber: „Nur im regulierten Markt gibt es Spielerschutz“, betont Weiner.

Allerdings müsse auch die Attraktivität des regulierten gesteigert werden. Das sei ein wichtiger Faktor, um die Kunden, die spielen wollen, im regulierten Markt zu halten, betont Weiner.

Georg Wacker, Geschäftsführer der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, fremdele zwar mit dem Begriff „Kanalisierungsquote“, betont aber, dass alle Kollegen des Deutsche Lotto- und Totoblocks sehr verantwortungsvoll und erfolgreich, gerade auch im Sinne des Spielerschutzes, den Kanalisierungsauftrag wahrnehmen würden.

Der GGL müsse laut Wacker politisch der Rücken gestärkt werden, sodass sie effektiv den Schwarzmarkt bekämpfen könne.

Der Podiumsdiskussion folgten Vorträge zur aktuelle Entwicklung in der Regulierung und zu neuen Methoden in der Glücksspielforschung. Hier spielte die Diskussion um den Glücksspiel-Survey eine zentrale Rolle, bei der auch die Autoren zu Wort kamen.

Glücksspielforschung

In einer zweiten Podiumsdiskussion wurde die Glücksspielforschung ins Scheinwerferlicht gerückt. Hier diskutierten folgende Experten über die Rahmenbedingungen guter Forschungsförderung: Dr. Dietmar Barth (GGL), Dr. Anke Quack (Kompetenzzentrum Spielerschutz & Prävention, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz), Dr. Raffaello Rossi (University of Bristol, Bristol Hub for Gambling Harms Research), Dr. Alfred Uhl (Sigmund-Freud-Privat-Universität, Wien). Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Steffen Otterbach.

Am zweiten Tag des Symposiums standen vor allem Spielerschutzthemen, erneut der Glücksspiel-Survey sowie Zukunftsthemen und Trends im Mittelpunkt. Neben dem Bereich E-Sports ging es dabei hauptsächlich um den Schutz von Kindern und Jugendlichen bei glücksspielähnlichen Angeboten im Internet.

Den Abschluss des 21. Symposiums Glücksspiel lieferten einige Denkanstöße und – teils großzügige – Blicke über den (Glücksspiel-)tellerrand.

Einen ausführlichen Bericht über das Symposium Glücksspiel 2024 lesen Sie in der April-Ausgabe des AutomatenMarkt.