Zwischenruf: Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen jongliert mit Mondzahlen
Im Zusammenhang mit der Anfang der Woche erfolgten Veröffentlichung des „Jahrbuch Sucht 2014“ behauptet die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), die direkten und indirekten sozialen Folgekosten des Glücksspiels lägen bei mindestens 40 Milliarden Euro pro Jahr. Das sei noch über denen, die durch gesundheitsschädigenden Tabak- und Alkoholkonsum verursacht werden.
Diese Zahl lässt sich nicht seriös nachvollziehen. Eine Studie des renommierten Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat ergeben, dass sich die sozialen Kosten des gewerblichen Geld-Gewinnspiels in Deutschland derzeit zwischen 225 und 300 Millionen Euro jährlich bewegen. Auch wenn dies nur den Bereich des gewerblichen Geldspiels betrifft, der allerdings mehr als vierzig Prozent des gesamten Gewinn-und Glücksspielmarkts ausmacht, könnten die sozialen Kosten im Zusammenhang mit dem gesamten Glücksspiel vielleicht doppelt so hoch sein, aber niemals 40 Milliarden Euro erreichen.
Natürlich gehört es zu den Aufgaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), die Entwicklung süchtigen Verhaltens in Deutschland zu beobachten und die Öffentlichkeit zu informieren. In der ernsthaften gesellschaftspolitischen Situation ist dem wichtigen und anerkannten Anliegen der Suchtprävention jedoch nicht geholfen, wenn mit „Mondzahlen“ operiert wird.
Um das Gefahrenszenario noch mehr zu dramatisieren, teilt die DHS in ihrer Pressemeldung mit, der Umsatz der gewerblichen Geldspielgeräte habe sich zwischen 2002 und 2012 verdreifacht und belaufe sich auf 19,2 Milliarden Euro. Diese Zahl erweckt den falschen Eindruck, dass in Deutschland fast zwanzig Milliarden für das gewerbliche Automatenspiel ausgegeben werden. Die DHS vergisst zu erwähnen, dass gewerbliche Geldspielgeräte zwischen 70 Prozent und 90 Prozent des eingeworfenen Geldes wieder als Gewinne ausschütten. Tatsächlich beläuft sich der Umsatz mit Geldspielgeräten nur auf 4,3 Milliarden Euro. In der Pressemeldung der DHS werden offensichtlich Einsätze mit Umsätzen kumuliert und vermengt.
Der Anstieg der bereinigten Umsätze auf rund 4,3 Milliarden Euro in 2012 weist vielmehr darauf hin, dass das Unterhaltungsangebot der gewerblichen Automatenwirtschaft die Bedürfnisse der deutschen Freizeitbürger getroffen hat. Beruhigend ist dabei, dass sich die Quote der pathologischen Spieler in der Bevölkerung trotzdem nicht erhöht hat. Denn in allen, seit fast einem Jahrzehnt durchgeführten, Untersuchungen bewegt sich die Quote der pathologischen Spieler in einer methodisch bedingten Schwankungsbreite immer unter 0,56 Prozent der erwachsenen Bevölkerung.
Kein Wort davon ist von der DHS zu hören. Sie muss sich deshalb fragen lassen, warum sie in populistischer Weise weitgehend unberechtigt Alarm schlägt, anstatt die Anbieter von Gewinn- und Glücksspielen fachkompetent und zielführend in ihrer Präventionsarbeit, deren Erfolge wie Präventionsschulungen und Sozialkonzepte sich im Übrigen sehen lassen können, zu unterstützen.
Olaf Weinstein
Chefredakteur